Inflation – das unbekannte Wesen


Wir leben in einer Zeit, in der viel Wert auf die Nachhaltigkeit der Werte gelegt wird: Das gilt für Kunst ebenso wie für Privatvermögen, für Moral ebenso wie für Mobiliar. Fast scheint es, als ob der größte anzunehmende Unfall, der uns dieser Tage passieren kann, die Entwertung wäre. Von dieser Angst vor dem Wertverlust lebt eine ganze Industrie – als Paradebeispiel sei an dieser Stelle das Versandhaus Manufactum genannt, dessen Leitspruch exemplarisch für diese Thematik stehen kann: “Es gibt sie noch, die guten Dinge”.

 

Es ist bezeichnend, dass es auch in der Wirtschaftspolitik dieser Tage weniger um die Schaffung neuer, als um die Wahrung bestehender Werte geht – fast als ob wir in Europa das Vertrauen in unsere Kreativität verloren hätten. Als Maßeinheit des ökonomischen Wertverlusts gilt gemeinhin die Inflation, und die Teuerungsrate ist im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise wieder in den Vordergrund gerückt.

 

Vereinfacht ausgedrückt verhält es sich mit ihr wie folgt: der Wert des Geldes wird durch die Menge bestimmt – je weniger Münzen und Banknoten es gibt, desto wertvoller werden sie im Verhältnis zu anderen Dingen. Und je mehr Geld in Umlauf gebracht wird, desto geringer sein Wert. Und die Inflationsrate beziffert eben diese Geschwindigkeit der Entwertung: Liegt sie z. B. bei zwei Prozent (das ist der Richtwert der Europäischen Zentralbank, und deswegen kommt er auch oben in unserer Illustration vor), bedeutet es, dass sich der Wert des Geldes im Laufe eines Jahres um zwei Prozent verringert hat.

 

Doch Inflation muss nicht immer schlecht sein. In kleinen Dosen genossen, erfüllt sie die Funktion eines wirtschaftlichen Durchlauferhitzers: Sie verhindert, dass Unternehmer und Investoren zu bequem werden und zwingt sie dazu, ständig nach profitablen Anlagemöglichkeiten Ausschau zu halten. Ist die Dosis zu groß, wird eine unheilvolle Spirale der Entwertung in Gang gesetzt, an deren Ende der marktwirtschaftliche Kollaps steht.

 

Sie sehen also, die Angelegenheit ist komplex und vielfältig. Wir bei Homo Oeconomicus werden ein besonderes Augenmerk auf den Themenkomplex Inflation legen und uns immer wieder etwas Neues dazu überlegen. Wir werden Sie diesbezüglich an dieser Stelle auf dem Laufenden halten.

About Michael Laczynski

Michael Laczynski wurde 1973 in Warschau geboren und kam im zarten Alter von elf Jahren nach Österreich. Er war langjähriger Leiter des Auslandsressorts der Tageszeitung "WirtschaftsBlatt", ist Mitbegründer des Kulturmagazins TOURISTEN und schreibt jetzt aus Brüssel für "Die Presse". ml@homo-oeconomicus.com
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