Was hat es mit den “Multiplikatoren” auf sich?

Immer wenn in jüngster Zeit vom Sparen und Wirtschaftswachstum die Rede war, fiel in dem Zusammenhang so gut wie immer das Wörtchen “Multiplikator”. Höchste Zeit also, diesbezüglich etwas Aufklärungsarbeit zu leisten. Was sind also diese ominösen Multiplikatoren?

Vereinfacht ausgedrückt drückt der Multiplikator das Verhältnis zwischen den Sparbemühungen und ihrem Einfluss auf die Wirtschaft aus. Etwa so: Wenn ein Staat ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung einspart und im Zuge dieser Diät die Wirtschaftsleistung um einen Prozent niedriger ausfällt, als es sonst der Fall gewesen wäre, spricht man von einem Multiplikator von 1. Reduziert sich die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent, haben wir es mit einem Multiplikator von 0,5 zu tun, und so weiter.

Warum passiert das, und warum ist es wichtig? Die erste Antwort liegt auf der Hand: wer spart, fragt weniger nach. Und weniger Nachfrage bedeutet, dass weniger Güter gekauft, Dienstleistungen in Anspruch genommen und Löhne gezahlt werden. Und da die staatliche Nachfrage in einer Volkswirtschaft normalerweise eine wichtige Rolle spielt, schlägt ein Rückgang der Staatsausgaben sofort durch.

Und hier kommen wir zum wichtigsten Aspekt: der Frage, wie stark die Auswirkungen dieser Sparanstrengungen wirklich sind. Um bei unseren Rechenbeispielen zu bleiben: Bei einem Multiplikator von 1 verbessert sich die relative Position nicht – die Schuden schrumpfen um einen Prozent, die Wirtschaft auch, und das Verhältnis zwischen Schulden und Wirtschaft bleibt somit gleich. Anders verhält es sich beim Multiplikator von 0,5: in diesem Fall gehen die Schulden schneller zurück als die Wirtschaft, d.h. die relative Position verbessert sich.

Doch zurück zur aktuellen Debatte. Bis dato gingen die meisten Experten davon aus, dass wenn ein Staat den Gürtel enger schnallen muss, der Multiplikator üblicherweise unter 1 liegt. Angesichts der dramatischen Entwicklungen in Griechenland und anderswo scheint es hier aber ein Umdenken gegeben zu haben. So haben die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds IWF unlängst eine kurze Abhandlung veröffentlicht, der zufolge der Multiplikator in Ausnahmefällen sogar deutlich höher als 1 sein kann – das heißt, dass Sparbemühungen den Schuldenberg nicht abtragen, sondern größer werden lassen! Die Erklärung dafür? Geht es allen schlecht, wie es etwa momentan in Europa der Fall ist, sind die herkömmlichen Rechenmodelle zu optimistisch, denn die einzelnen unabhängigen Sparbemühungen summieren sich zu einem größeren Ganzen.

Wenn also derzeit von Multiplikatoren die Rede ist, dann geht es meistens darum, wer Recht hat: die Anhänger der klassischen Lehre oder die “Abweichler”.

About Michael Laczynski

Michael Laczynski wurde 1973 in Warschau geboren und kam im zarten Alter von elf Jahren nach Österreich. Er war langjähriger Leiter des Auslandsressorts der Tageszeitung "WirtschaftsBlatt", ist Mitbegründer des Kulturmagazins TOURISTEN und schreibt jetzt aus Brüssel für "Die Presse". ml@homo-oeconomicus.com
This entry was posted in Ökonomische Feinmechanik. Bookmark the permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>