Nehmen uns Roboter die Arbeit weg?

 

Eine idiotische Frage, könnte man meinen. Ist sie aber nicht – zumindest wenn es nach Tyler Cowen geht. Der einflussreiche US-Ökonom und Blogger (den Link zu seiner Website „Marginal Revolution“ finden Sie hier) hat zu diesem Thema ein Buch verfasst, dass den Titel „Average Is Over“ trägt, Ende August in den USA veröffentlicht wurde und seither heftig debattiert wird. Selbst US-Präsident Barack Obama hat in einem Interview Bezug darauf genommen und als Gegenargument die legendären Selbstheilungskräfte der Vereinigten Staaten ins Spiel gebracht.

Cowens Kernthese lautet folgendermaßen: Die Zukunft der Arbeitswelt gehört jenen zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung, die in der Lage sind, mit intelligenten Maschinen zusammenarbeiten, und das Produkt durch den menschlichen Input (Kreativität, Intuition etc.) zu veredeln. Alle anderen werden über kurz oder lang durch denkende Software ersetzt und müssen sich auf sinkenden Lebensstandard einstellen. Als Ausweg schlägt Cowen den Bau von Favelas im klimatisch begünstigten Süden der USA vor, wo niedrige Lebenshaltungskosten die schrumpfenden Reallöhne abfedern.

Kontrovers ist diese Hypothese aus zwei Gründen: erstens, weil sie an den Grundfesten des „American Dream“ rüttelt – dem Traum vom materiellen und gesellschaftlichen Aufstieg. Zweitens allerdings, weil sie die herkömmliche Auffassung von der Funktionsweise der Arbeitsmärkte angreift. In der Vergangenheit wurde jegliche Kritik an der „schöpferischen Zerstörung“ – sprich an der Eliminierung von Arbeitsplätzen in obsolet gewordenen Wirtschaftszweigen – als ludditisches Gejammer abgetan, und zwar mit dem Verweis auf die sogenannte „lump of labour fallacy“ (sachdienliche Hinweise, wie sich dieser Begriff ins Deutsche übersetzen lässt, sind erbeten). Gemeint damit ist der (angebliche) Irrglaube, dem zufolge es eine fixe Menge von Arbeit gibt, die es zu verteilen gilt. Das Gegenargument der klassischen Ökonomie lautet hingegen: Arbeit schafft Arbeit. Alte Industrien vergehen, neue Industrien entstehen. Und in der Tat ist die Industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts ein Beweis dafür – die durch die Mechanisierung um ihre Arbeit gebrachten Weber fanden Jobs in den neuen Fabriken, der neue Wohlstand schaffte neue Bedürfnisse, neue Arbeitsplätze, und so weiter, und so fort.

Das Problem ist nur, dass diese These seit geraumer Zeit immer schwieriger mit der Wirklichkeit in Einklang gebracht werden kann: Nationalvermögen und Arbeitseinkommen scheinen entkoppelt zu sein. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Globalisierung – jüngste Studien aus den USA deuten darauf hin, dass Arbeitnehmer in jenen Regionen am meisten gelitten haben, die am stärksten von industrieller Abwanderung betroffen waren. Die andere Erklärung ist die von Cowen thematisierte Verdrängung durchschnittlicher Arbeitskraft durch Hochtechnologie. Der selben Meinung sind übrigens auch Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee vom MIT, die im Jahr 2011 zu dem Thema das Buch „Race against the machine“ publiziert haben.

Interessanterweise lässt sich das Phänomen vor dem Hintergrund steigender Unternehmensgewinne und wachsender Wirtschaft beobachten. Mehr über die Folgen dieser Entwicklung im nächsten Beitrag.

About Michael Laczynski

Michael Laczynski wurde 1973 in Warschau geboren und kam im zarten Alter von elf Jahren nach Österreich. Er war langjähriger Leiter des Auslandsressorts der Tageszeitung "WirtschaftsBlatt", ist Mitbegründer des Kulturmagazins TOURISTEN und schreibt jetzt aus Brüssel für "Die Presse". ml@homo-oeconomicus.com
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